Netzaberg Chapel – Neubau eines religiösen Gemeindezentrums

Grafenwöhr

Im Rahmen des Efficient-Basing-Projekts Grafenwöhr der US-Streitkräfte entstand bereits 2006 in der Gemeinde Eschenbach ein neuer Stadtteil: Netzaberg. Für knapp 4000 US-Angehörige wurden durch einen Investor Wohnquartiere am Rande des Truppenübungsplatzes geschaffen. Die bayerische Staatsbauverwaltung ergänzte die Siedlung im Kernbereich um ein US-Gemeindezentrum mit Kindertagesstätten, einem Bildungs- und Sportzentrum sowie einen Einkaufsmarkt mit Tankstelle. Doch eins fehlte: eine Kirche.
Mit der offiziellen Eröffnung der „Chapel Netzberg“ konnte im Februar 2017 nun dieser wichtige, rund 15 Mio. € teure Mosaikstein ergänzt werden.

Projektstand: fertiggestellt 2017

Entwurf: Brückner & Brückner Architekten GmbH , Würzburg

„Die Chapel ist aus Licht gebaut“

Ein beeindruckendes Gebäude, weit sichtbar in der Landschaft der nördlichen Oberpfalz, deren sanfte Hügel sich als Entwurfsgedanke im inneren Lichtraumprofil des Kirchenschiffes fortsetzen. Die äußere Form dagegen wurden von den Architekten Brückner&Brückner aus Tirschenreuth/Würzburg, die im Auftrag des Staatlichen Bauamtes Amberg-Sulzbach für die Pläne verantwortlich zeichnen, „bewusst abstrahiert und reduziert, jedoch wahrnehmbar in der Silhouette einer regionalen Kirche“.

Die „Chapel Netzberg“ - mit knapp 3000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche und 670 Sitzplätzen - ist aber vielmehr als eine einfache Kirche: hier sind Menschen aller Religionen willkommen. Christen, Baptisten, Juden, Muslime finden nicht nur im großen Andachtsraum, sondern auch in den vielen Nebenräumen Platz. Dies war eine zentrale Anforderung aus dem „Army Standard of Chapel Construction“, einem Planungshandbuch der US-Armee: „Die Einrichtung ist für Personen jeglicher Glaubensrichtungen und für die Militärgemeinde gedacht, ohne das eine bestimmte Gruppe in Bezug auf die Orientierung oder die Planung bevorzugt wird. (…) Feststehende, gut sichtbare, markante religiöse Symbole sind nicht zu gelassen.“

Eine Herausforderung für die Planer aber auch für die verschiedenen Nutzer. Wie geschickt diese mit Schlichtheit und ohne schmückendes Beiwerk umgesetzt wurde, zeigt sich im Detail. Wer das abendländische Kreuz für seine Feiern nicht benötigt, lässt es hinter dem Altar zwischen den Wänden verschwinden. Ein weiteres Kreuz hat eine abnehmbare Christusfigur, das genauso, wie die Kreuzwegstationen, mit Klappflügeln, verborgen werden kann. Baptisten finden ihr Taufbecken hinter dem Altarraum.

Aber auch in den anderen Bereichen folgt der barrierefreie Bau dem multifunktionalen und interkonfessionellen Gedanken. Um den Kirchenraum scharen sich als Art Seitenschiffe Seminarräume, Gemeinschafts- und Multimediaräume, Büros für die Verwaltung, Sakristei, Bibliothek, eine große Küche für das gemeinsame Kochen, gar eine Kindertagesstätte. Die Räume werden über einen großzügigen, umgehenden Gang, an dem auch die Haupteingänge im Westen und Osten liegen, erschlossen. Der sogenannte „Circulation“ ist mit einem Glasdach an das Hauptschiff angebunden und lädt mit seiner hellen und freundlichen Atmosphäre zu Gesprächen vor und nach den Veranstaltungen ein.

Der Kirchenraum selbst ist teilbar in einen Andachts- und einem Veranstaltungsraum, der mit seinen Bühnen für Aufführungen und Konzerte bestens geeignet ist.

Modernste Kommunikationstechnologie, gesteuert über die Gebäudeleittechnik, überträgt dabei die Gottesdienste und Veranstaltungen auch in die Nebenräume. Die Lichttechnik des Kirchenraums, versteckt hinter einer textilen Membrane zwischen den einzelnen Bögen des Spanndeckensystems, taucht die Kirche in die unterschiedlichsten Lichtstimmungen.

Brückner&Brückner setzen mit diesen zehn, durch ihre unterschiedlichen Scheitelpunkte individuell gefertigten Bögen, zusammen mit dem transluzenten Membransystem, ihre zentrale Entwurfsidee um: „Der Bogen als konstruktives, symbolisches aber auch gestalterisches Element, ist eine tektonische Urform historischer Kirchen. Diesen Bogen zu schlagen zwischen den Kulturen, Religionen und Ländern ist ein wichtiges Thema des Entwurfs. Der Bogen hat bergenden Charakter, symbolisiert aber auch das Himmelszelt. Wir denken dieses Himmelszelt neu und überspannen die Kirche mit einem einzigen rhythmisch gewölbten, leichten,  immateriellen Dach: Der Blick ins Numinose, der Blick in ein weißes Himmelszelt. Wir sehen in die Unendlichkeit. Aus weiß wird weiß wird weiß. Die Kirche als Eines – eine Farbigkeit, differenzierte, regionale Materialität“. 

Aber auch sonst beeindruckt die in drei Jahren Bauzeit errichtete „High-Tech-Kathedrale“: Das Bauwerk ist 62 Meter lang, 43 Meter breit und mit seinem Turm im Norden gut 33 Meter hoch. Es wurden 2700 Kubikmeter Beton und 300 Tonnen Stahl verbaut, 500 Meter Wasserleitungen, 1000 Meter Abwasserrohre, 8000 Meter Fußbodenheizung, 110000 Meter Elektroleitungen, 350 Leuchten, 700 Meter LED-Stripes und  8000 Meter Verkabelung für Multimedia- und Bühnenausstattung. Eine vollflächige Sprinklerung mit 470 Sprinklerköpfen, 200 Brandmelder und ein Entrauchungssystem sorgen für die Sicherheit.

Dabei war es ein Anliegen, dass die meisten Bauprodukte aus der Region kommen, wie der Fußbodenbelag aus Solnhofner Naturstein oder die Wandbekleidung, die Türen und die Bestuhlung aus heimischer Eiche. Stein und Holz – eine dezente Reminiszenz an die Oberpfalz.

Den Architekten ist es gelungen, „einen Kirchenraum entstehen zu lassen, der die Menschen einlädt und aufnimmt. Der Halt gibt, Geborgenheit und die Möglichkeit, in sich zu kehren. Aber auch einen Raum für Feiern, Kommunikation und Begegnung – ein Gefäß, das die Menschen mit ihren Anliegen aufnehmen kann“.

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